Referenten
Dr. Martina Aßmann
Dr. Martina Aßmann ist Ärztin für Arbeitsmedizin und Psychotherapie (Verhaltenstherapie) und MBSR/MBCT Lehrerin und Ausbilderin. Sie hat sich viele Jahre mit der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen beschäftigt und ist seit 2011 psychotherapeutisch im klinischen und ambulanten Umfeld tätig mit dem Schwerpunkt der achtsamkeitsbasierten Methoden. Seit 2015 hat sie eine Privatpraxis für achtsamkeitsbasierte Verhaltenstherapie und Stressmedizin. Sie unterrichtet MBCT an verschiedenen Ausbildungsinstituten und widmet sich der Verbreitung dieser Methode durch ihre Arbeit im Berufsverband der Achtsamkeitslehrenden (MBSR/MBCT-Verband).
Abstract zum Vortrag von Dr. Martina Aßmann: Die Inquiry (das erforschende Gespräch) in den achtsamkeitsbasierten Verfahren
Die therapeutische Grundhaltung in den achtsamkeitsbasierten Verfahren zeigt sich ganz besonders deutlich in der Inquiry, dem erforschenden Gespräch. Hier verkörpert die Therapeutin die Eigenschaften der Achtsamkeit, indem sie dem Klienten/Patienten und seinen Erfahrungen mit offenem nichtwissendem warmherzigen Interesse begegnet. Hier geht es darum, keine Lösungen zu finden und auch nicht dazu einzuladen, sondern darum, der Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks Raum zu gewähren. Im Vortrag werden die Grundhaltungen und ihr Bezug zur Fragetechnik dargestellt.
Referenzen:
Michalak, J., Crane, C., Germer, C., Gold, E., Heidenreich, T., Mander, J., Meibert, P. & Segal, Z. V. (2019). Principles for a responsible integration of mindfulness in individual therapy. Mindfulness, 10, 799–781.
Prof. Dr. Martin Bohus
Prof. Dr. Martin Bohus, geb. 16.11.1956 ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und arbeitet seit 2003 als Lehrstuhlinhaber für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Heidelberg am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Derzeit ist er Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Psychiatrische und Psychosomatische Psychotherapie am ZI Mannheim sowie Gastprofessor an der Universität Antwerpen und der Harvard Medical School, Boston, Massachusetts. Von 2010 bis 2014 war er Vorstandsmitglied der DGPPN, 2013 bis 2016 Präsident der „European Society for the Studies of Personality Disorders“ (ESSPD), 2016-2019 Vice-President der „International Society for the Studies of Personality Disorders“ (ISSPD). Seine klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Aufklärung von Pathomechanismen von schweren Störungen der Emotionsregulation sowie in der Psychotherapieentwicklung – und Evaluation. Er leitete und leitet große multizentrische Forschungsprojekte, die u.a. von DFG und BMBF finanziert werden. Prof. Bohus ist Herausgeber des wissenschaftlichen Journals „Borderline-Personality Disorders and Emotion Regulation“ (BPDED) hat mehr als 350 wissenschaftlicher Publikationen, Buchkapitel und Bücher verfasst und gilt derzeit als international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Psychotherapieentwicklung.
Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. Martin Bohus: Aktuelle Entwicklungen der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT)
Die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) wurde ursprünglich als störungsspezifisches multimodulares Behandlungskonzept für chronisch suizidale Patienten mit Borderline-Störungen entwickelt und evaluiert. Zentrale Aspekte der sog. dritten Welle der VT, also Interventionen zur Akzeptanz und Toleranz aversiver Emotionen und Anspannungszustände, sowie metakognitive Fertigkeiten wie beobachten und beschreiben mentaler Prozesse sind wichtige Komponenten der DBT. Der Vortrag skizziert die Entwicklungen der DBT in den letzten Jahren- insbesondere Adaptationen im Bereich der komplexen PTSD.
Referenzen:
Bohus, M., Kleindienst, N., Hahn, C., Müller-Engelmann, M., Ludäscher, P., Steil, R., ... & Schmahl, C. (2020). Dialectical Behavior Therapy for Posttraumatic Stress Disorder (DBT-PTSD) Compared with Cognitive Processing Therapy (CPT) in Complex Presentations of PTSD in Women Survivors of Childhood Abuse: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry, 77, 1235–1245.
Dr. Johannes Graser
Dr. Johannes Graser ist Diplom-Psychologe und psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie) und seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung klinische Psychologie II an der Universität Witten/Herdecke. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Psychotherapie bei Menschen mit Intelligenzminderung, achtsamkeitsbasierten Therapieverfahren und Compassion Focused Therapy (CFT). Johannes Graser promovierte an der Goethe Universität Frankfurt am Main in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie. Hierbei setzte er erfolgreich Compassion Focused Therapy (Ausbildung bei Prof. Paul Gilbert) bei Menschen mit persistierender depressiver Störung ein. Aktuell, im Rahmen seiner Habilitation, führt er eine Therapiestudie mit Compassion Focused Therapy bei Menschen mit leichter und mittelgradiger Intelligenzminderung und psychischen Störungen durch.
Abstract zum Vortrag von Dr. Johannes Graser: Compassion Focused Therapy (CFT): Hintergründe, Anwendung und Evidenz
Johannes Graser wird in seinem Vortrag eine noch recht junge Therapieform aus dem Spektrum der dritten Welle der Verhaltenstherapie vorstellen, die Compassion Focused Therapy (Gilbert, 2010; Kolts, 2016). Die Compassion Focused Therapy versucht Menschen, die zu Selbst-Abwertung und Scham neigen, einen wohlwollenderen, freundlicheren und mitfühlenden Umgang mit sich selbst zu ermöglichen. Compassion (Mitgefühl) wird nach Gilbert (2010) wie folgt definiert: „Eine Bewusstheit vom eigenen Leid und dem anderer Lebewesen mit dem Wunsch und Bestreben dieses Leid zu verringern oder zu verhindern. In randomisiert kontrollierten Studien hat sich dieser Therapieansatz bereits bei psychotischen Störungen, Essstörungen, Depression und bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung als hilfreich gezeigt (Graser & Stangier, 2018).
Referenzen:
Gilbert, P. (2010). Compassion Focused Therapy. Hove, UK: Routledge.
Graser, J. & Stangier, U. (2018). Compassion and Loving Kindness Meditation: An overview and prospects for the application in clinical samples. Harvard Review of Psychiatry, 26, 201–215.
Kolts, R. L. (2016). CFT Made Simple: A Clinician's Guide to Practicing Compassion-Focused Therapy. Oakland: New Harbinger Publications.
Prof. Dr. Thomas Heidenreich
Prof. Dr. Thomas Heidenreich ist Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). Er ist Professor an der Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Prodekan der Fakultät und stellvertretender Dekan. Zudem leitet er dort das „Institut für Angewandte Forschung“ (IAF) Gesundheit und Soziales. Thomas Heidenreich war zuvor mehrere Jahre in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Goethe Universität Frankfurt am Main sowie als Ambulanzleiter der Verhaltenstherapie-Ambulanz der Goethe Universität Frankfurt am Main tätig. Thomas Heidenreich ist Herausgeber und Autor von zahlreichen Buchbeiträgen und Forschungsarbeiten zum Thema Achtsamkeit und der dritten Welle der Verhaltenstherapie. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit existentieller Psychotherapie, kognitiv-behavioralen Ansätzen in der Beratung sowie der Entwicklung und Evaluation von Ansätzen zur Minderung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz, insbesondere in sozialen und pflegenden Berufen.
Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. Thomas Heidenreich: Achtsamkeit: Ego Boost statt Ego Bust? (Steigert oder senkt Achtsamkeit Selbstbezogenheit?)
Die Frage, ob Achtsamkeitspraxis zu einer geringeren Selbstbezogenheit oder einer höheren Selbstbezogenheit führt, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Eine aktuelle vielbeachtete Studie von Gebauer und Kollegen (2018) zeigte empirisch eine höhere Selbstbezogenheit durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis. Thomas Heidenreich, gemeinsam mit Anna-Lena Lumma und Johannes Michalak (2019) stellten jedoch Mängel an der Studie von Gebauer fest, die sie in ihrem Kommentar zur Studie von in der Fachzeitschrift Mindfulness veröffentlichten. Die Argumente für beide Sichtweisen wird Thomas Heidenreich in seinem Vortrag vorstellen.
Referenzen:
Gebauer, J. E., Nehrlich, A. D., Stahlberg, D., Sedikides, C., Hackenschmidt, A., Schick, D., ... & Mander, J. (2018). Mind-body practices and the self: Yoga and meditation do not quiet the ego but instead boost self-enhancement. Psychological Science, 29, 1299–1308.
Lumma, A. L., Heidenreich, T., & Michalak, J. (2019). How Would the Buddha Rate on Rosenberg’s Self-Esteem Scale?. Mindfulness, 1-6. https://doi.org/10.1007/s12671-019-01281-w
Prof. Dr. Jürgen Margraf
Prof. Dr. Jürgen Margraf ist Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). Er ist seit 2010 Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum. Vorher war er bereits als Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an den Universitäten Basel, Dresden (TU) und Berlin (FU) sowie als Visiting Professor an der University of California in Los Angeles (UCLA) tätig. In seiner Forschung befasst er sich mit der Entstehung, Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen (vor allem Angst- und Essstörungen). Weitere Forschungsschwerpunkte sind die experimentelle Psychopathologie, Psychotherapieforschung, vor allem bezogen auf die kognitive Verhaltenstherapie, Prävention, Public Health und klinische Psychophysiologie. Er war bereits Präsident der deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und erhielt mit der Alexander-von-Humboldt-Professur einen der höchst dotierten deutschen Forschungspreise.
Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Margraf: Neue Welle, dritte Welle, perfekte Welle?
Der Erfolg psychotherapeutischer Verfahren muss sich im Durchschnitt nicht vor den Ergebnissen anderer Heilbehandlungen verstecken. Aber auch wenn unsere Therapien häufig erfolgreich sind, so sind sie doch noch verbesserbar. Wir können leider bei weitem nicht allen unseren Patienten helfen und oft sind die erreichten Fortschritte nicht genügend umfassend oder nachhaltig. Es ist von daher nicht verwunderlich, dass auch im Bereich der Psychotherapie immer wieder neue Entwicklungen diskutiert werden. Dies gilt auch für die kognitive Verhaltenstherapie, die in ganz besonderer Weise auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung noch immer in stürmischer Weiterentwicklung begriffen ist. Immer wieder tauchen neue Verfahren auf, immer wieder werden neue Anwendungsfelder und Indikationen erschlossen. Manchmal stellt sich aber auch die Frage, wie neu manche Entwicklungen sind und wie gut es um ihre empirische Fundierung bestellt ist. Dies gilt auch für die als „dritte Welle“ der Verhaltenstherapie bezeichneten Verfahren wie Acceptance and Commitment Therapy (ACT), Dialektische Behaviorale Therapie (DBT), Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP), Functional Analytic Psychotherapy (FAP) und Integrative Behavioral Couple Therapy (IBCT) sowie für Verfahren, die als weitgehend eigenständig dargestellt werden wie Eye Movement and Desensitization and Reprocessing (EMDR), Schematherapie oder Mindfulness-Based Therapy. Inzwischen werden kritische Stimmen laut, die nachfragen, ob es sich hier nicht auch um alten Wein in neuen Schläuchen oder um spezielle „Marketingstrategien“ zur Verbreitung der Verfahren handeln könnte und die vor einem therapeutischen Perfektionismus warnen. Der Vortrag setzt sich kritisch mit den verschiedenen Positionen auseinander und versucht eine Würdigung auf der Basis der vorliegenden Daten.
Referenzen:
Margraf, J., & Schneider, S. (Hrsg.). (2018). Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 2: Psychologische Therapie bei Indikationen im Erwachsenenalter. Berlin: Springer-Verlag.
Prof. Dr. Johannes Michalak
Prof. Dr. Johannes Michalak ist Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). Er ist seit 2014 Professor und Lehrstuhlinhaber für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke. Er war von 2011 bis 2014 Professor für Klinische Psychologie an der Universität Hildesheim, zuvor wurde er zum außerplanmäßigen Professor an der Ruhr-Universität Bochum ernannt. In 2009 hatte er eine Gastprofessur an der Queen’s University Kingston (Kanada) inne. In seiner Forschung befasst sich Johannes Michalak mit Achtsamkeit und Embodiment in der klinischen Psychologie. Er ist Herausgeber und Autor von zahlreichen Buchbeiträgen und Forschungsartikeln zu Themen wie Achtsamkeit, Embodiment und der dritten Welle der Verhaltenstherapie.
Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. Johannes Michalak: Und plötzlich meditieren sie alle... Was erklärt das große Interesse an Achtsamkeit in Gesellschaft und Psychotherapie?
Achtsamkeit und Achtsamkeitsbasierte Therapierverfahren sind seit Anfang der 2000er Jahre auf zunehmend breiteres Interesse in westlichen Gesellschaften insgesamt und im Bereich der Psychotherapie gestoßen. Einige würden sogar sagen, dass es einen regelrechten „Achtsamkeits-Hype“ gegeben hat. In dem Vortrag wird argumentiert, dass dieses Interesse nicht nur auf die empirische Evidenz für achtsamkeitsbasierte Verfahren zurückzuführen ist, sondern auf eine ganze Reihe von historischen und sozialen Aspekten: Historische Entwicklungen im Buddhismus und seiner Rezeption im Westen, Eigenschaften des gegenwärtigen Zeitgeistes, der Rolle von Spiritualität im Rahmen achtsamkeitsbasierter Verfahren und Charakteristika des Gesundheitssystems. Diese Faktoren werden vorgestellt und Vor- und Nachteile des gestiegenen Interesses an achtsamkeitsbasierten Therapieverfahren werden kritisch diskutiert.
Referenzen:
Michalak, J. & Heidenreich, T. (2018). Dissemination before evidence? What are the driving forces behind the dissemination of mindfulness-based interventions? Clinical Psychology: Science and Practice, 25(3), e12254.
Michalak, J., Steinhaus, K. & Heidenreich, T. (2020). (How) do therapists use mindfulness in their clinical work? A study on the implementation of mindfulness interventions. Mindfulness, 11, 401–410.
Nicole Plinz
Nicole Plinz ist ausgebildete systemische Therapeutin und Beraterin (anerkannt durch die systemische Gesellschaft) und leitet seit 2009 die Tagesklinik für Stressmedizin in der Asklepios Klinik Hamburg. Patientinnen und Patienten werden hier mittels eines achtsamkeitsbasierten Therapiekonzeptes behandelt. Seit 1994 ist Nicole Plinz als Therapeutin und seit 1998 an der Asklepios Klinik Hamburg mit dem Arbeitsschwerpunkt der Behandlung von depressiven Störungen und Burnout-Krisen tätig. Zusätzlich gibt sie Workshops in Unternehmen und hält Vorträge und leitet Seminare zum gesunden Führen. Im Jahr 2002 wurde Nicole Plinz mit dem Ehrenpreis des Lilly-Schizophrenia-Awards ausgezeichnet.
Abstract zum Vortrag von Nicole Plinz: „Wirklich nichts?“ – Erfahrungen mit Achtsamkeit als Haltung und als Verfahren in der psychiatrischen Depressionsbehandlung
Inzwischen sind Achtsamkeitsübungen als Behandlungstool zum Standard der meisten stationären Depressionsbehandlung geworden. In der Tagesklinik für achtsame Depressionsbehandlung ist Achtsamkeit nicht allein Behandlungstool, hier findet die gesamte Behandlung seit über 10 Jahren aus einer achtsamen Haltung heraus statt. Die Tagesklinik ist Teil einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilung mit Pflichtversorgungsauftrag für den südlichen Hamburger Raum.
Was bedeutet es für die Arbeit eines Teams mit achtsamer Haltung, wenn ein größerer Teil der PatientInnen die Achtsamkeit zunächst nicht aktiv wählt, sondern billigend in Kauf nimmt, um in die Depressionsbehandlung aufgenommen zu werden? Was bedeutet es für ein Team, wenn Menschen unterschiedlicher Profession und unterschiedlich tiefer Verankerung in eigener Achtsamkeitspraxis, gemeinsam eine Depressionsbehandlung bereitstellen? Anhand dieser beiden Fragen möchte ich von der Erfahrung aus dem Behandlungsalltag berichten.